Rehweiler, 7. Januar 1916
Meine Lieben!
Gestern traf der lange erwartete Brief, vom 9. Dezember datiert, hier ein und will ich mich beeilen, denselben zu beantworten. Deine Festrede erhielt ich schon einen Tag zuvor und dachte ich mir, dem kurzen Begleitschreiben nach zu schließen, daß entweder ein Brief verloren gegangen sei, oder noch folgen müsse. Ich habe also alles vollständig erhalten. Nur das erwähnte Programm von Deinem Konzerte fehlt. Wie ich aus Deinen beiden Schreiben, lieber Onkel, ersehe, tust Du viel für die deutsche Sache in Amerika u. Deine liebe Frau, meine Tante, wird Dich darin redlich unterstützen. Die zugeschickten Sachen werde ich der Zeitung übergeben, wie das auch s. Zeit mit dem Berichte vom Kaiserpreissingen geschehen ist, den Du ja inzwischen in Amerika gelesen hast.
[Left margin:] Habe eben noch einmal Deine feierliche Rede durchgelesen und auch das Begleitschreiben, da schreibst Du auch noch von Berichten über das Konzert. Diese liegen Deinen Briefen nicht bei und habe ich sie noch nicht erhalten.
[new page]
Was nun meine persönlichen Verhältnisse anlangt, so teile ich Euch, meine Lieben, mit, daß meine Lisbeth und ich am heiligen Abende die Verlobungsringe getauscht haben. Es war eine ernste stille Feier im Scheine der Weihnachtskerzen - Kriegsweihnacht! Die Feiertage selbst waren ausgefüllt mit Glückwunschbesuchen und mit der Entgegennahme von Verlobungsgeschenken. Reich beschenkt wurden wir, besonders aus der Gemeinde Heuchelheim - ein Zeichen der Liebe und Anhänglichkeit der Gemeinde. Das schönste Verlobungsgeschenk aber war die Verkündigung des Prüfungsresultates, die gleich nach Weihnachten erfolgte. Von 114 Damen und 20 Herren habe ich den 7. Platz mit Note II errungen. Es ist das ein glänzendes Resultat und bin ich auch von Herzen zufrieden, denn die Zukunft steht mir jetzt offen und habe ich mit diesem Ergebnis jetzt Aussicht
[new page]
in eine Stadt (Neustadt, Dürkheim) zu kommen. Dort sind leichtere Schulverhältnisse, die meiner Gesundheit zuträglicher sind. Eine harte Zeit war ja die Zeit der Prüfung und besonders die Vorbereitung zu derselben und meine Gesundheit hatte ziemlich Not dabei gelitten. Wenn andere Zeiten wären, müßte ich dringend in Erholungsurlaub gehen. Doch jetzt ist man zu nötig. Habe z. Z. eine siebenklassige Schule mit 80 Kindern und eine Fortbildungsschule mit 38./ Arbeit genug! Doch man tut sie in dieser ernsten und schweren Zeit ja gern. Wenn ich einen Tag oder zwei Urlaub habe, dann eile ich zu meiner lieben Braut und da vergeht das Krankseinwollen von selbst. Ist ja auch nicht so schlimm und wenn der Frühling wiederkehrt mit Vogelsang und Blumenduft und hoffentlich auch mit dem lange ersehnten Frieden, dann werden frohe Wanderlieder angestimmt,
[new page]
dann herunter mit den Nagelschuhen und dem Wanderstabe von der Wand und hinaus in Gottes freie Natur! Dann verfliegen Wintersorgen und Winterleid von selbst. O, wenn ich der schönen Zeit gedenke, wo wir gemeinsam wanderten und wenn ich das Einst und das Jetzt miteinander vergleiche! Ringsum die Welt in Waffen, alle erhoben, mein Deutschland, mein Vaterland zu zerschmettern. Vergebene Mühe! Trotz aller Not, trotz ernster und schwerer Zeit wird Deutschland siegreich aus diesem Ringen hervorgehen, einiger, gekräftigter, mächtiger und erhabener denn je. Möge im neuen Jahr das alles in Erfüllung gehen!
Euch, meine Lieben, wünsche ich in diesem Jahreslauf alles Gute und bin, wie immer, in herzlicher Liebe Euer dankbarer Neffe Eugen
[Left margin:] Adresse: Lehrer Haas Rehweiler a/Glan Rheinpfalz
Transcribed by Barbara Baeuerle
Rehweiler, January 7, 1916
My dear ones!
The letter I had been expecting for so long arrived here yesterday (dated December 9), and I will rush to write a response. I got your celebratory speech already a day before that, and because of the brevity of the accompanying letter, I assumed that either a letter was lost or that one would still follow. So now I have received everything in its entirety. Only the program of your concert, which you mentioned, is missing. As I can gather from both of your letters, dear Uncle, you are doing a lot in America in the interest of Germany and your dear wife, my aunt, most probably supports you single-mindedly. I will pass the things that you sent me on to the newspaper, just like I did back then with the report from the singing contest for the Emperor's prize, which you have read in the meantime in America.
[Left margin:] Just now I went through your solemn speech once more and also through the included message, in which you also say something about reports about the concert. Those are not included in your letters and I have not received them so far.
[new page]
Now, in so far as my personal situation is concerned, I am informing you, my dears, that on Christmas Eve my Lisbeth and I exchanged our engagement rings. It was a serious and quiet celebration in the light of the Christmas candles - Christmas during wartime! The holidays as such were filled with visits to wish everyone a Merry Christmas and with the receiving of engagement gifts. We were heaped with gifts, especially from the Heuchelheim community - a sign of their love and attachment. But the best engagement gift was the announcement of the exam results, which happened right after Christmas. I reached the 7th position with a grade II, out of a total of 114 ladies and 20 gentlemen. That is a brilliant result and I am thoroughly happy about it, for now my future is wide open and with this final result I have the chance
[new page]
to be employed in a town (Neustadt, Dürkheim). Teaching there is easier , which is much better for my physical well being. The time of the exam was tough, and particularly the preparation for it, and my health suffered badly from it. If times were different, I would be in dire need of a convalescent leave. But currently we are needed too much. Right now I work in a school with seven grades and 80 children plus in a training school with another 38./ enough work! But after all one enjoys it during these austere and difficult times. Whenever I have a day or two off, I rush to see my dear bride and when I am with her I quickly forget the idea of wanting to be sick. It is not so bad after all, and once spring returns with the sound of birds singing and the smell of flowers and hopefully also with a long-awaited peace, then is the time to strike up cheerful hiking songs,
[new page]
to say: Take the hiking boots and the hiking pole from the wall, and off you go into God's open countryside! This way winter's sorrow and winter's suffering vanish all by themselves. Oh, to remember the beautiful time when we were hiking together, and when I compare then and now! The world all around us is armed and raising their weapons in order to smash my Germany, my fatherland. In vain! Despite all misery, despite austere and hard times, Germany will emerge victorious from this fight, more unified, more energized, more powerful and nobler than ever before. May all this come to fruition in the new year!
I wish you, my dears, all the best for this entire year and remain, as always, with affectionate love your grateful nephew
Eugen
[Left margin:] Address: Teacher Haas Rehweiler / on Glan Rhineland Palatinate
Translated by Barbara Baeuerle