Heidelberg, 14/5 1899.
Verehrtester Vetter,
Deinen Wunsch, die Ahnenreihe der Hil= gards noch weiter zurückgeführt zu sehen, will ich nach Kräften zu erfüllen versuchen. Mache Dir jedoch keine allzu großen Erwartungen! Der Fall, daß eine bürgerliche Familie ihren Stammbaum bis über die erste Hälfte des 17. Jahrh. lücken= u. zwei= fellos zurück verfolgen kann, ist verhältnismäßig selten, da der 30 jähr. Krieg auch in der Vernichtung von Ar= chiven unglaubliches geleistet hat. Sind z. B. In Wetz= lar die sog. Bürgerbücher aus dem 16. Jahrh. nicht mehr vorhanden, dann ist man auf die zufällige gele= gentliche Erwähnung eines Familiennamens in Einzel= urkunden angewiesen; und findet man ihn wirklich, so ist häufig die genealogische Einreihung des betr. Namen= trägers nicht mit Sicherheit festzustellen. Ich habe
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gleich nachdem ich durch meine Mutter von Deinem Wunsche Kenntnis erhalten, an R. Schirmer geschrieben, um zu erfahren, ob er selbst noch weitere Schritte gethan; aber er hat auf meinen Brief nicht reagiert. Es trifft sich gün= stig, daß ich die nächste Woche Pfingstferien habe (ich kann solche Ausflüge natürlich nur in den Ferien ma= chen); da will ich, nachdem ich Schirmer aufgesucht, um den mir nicht recht begreiflichen Grund seines Schwei= gens zu erfahren, vor allem nach Wetzlar und da mit Nachforschungen einsetzen. Die hiesige Stadtver= waltung hat mir ein offizielles Empfehlungsschreiben an alle Oberhessischen Städte gegeben, so daß ich, wenn überhaupt auf den Archiven etwas zu ermitteln ist, hof= gen darf, Aufschluß zu gewinnen. Versagen die Akten, dann ist immerhin noch die Möglichkeit, von den Fami= lien Hilgard aus, die, wie ich zufällig erfahren habe, im Oberhessischen ansässig sein sollen, etwas Deinen Wünschen entsprechendes zu erfahren. Item, ich werde thun, was ich kann, um die Ahnenreihe so weit als möglich nach rückwärts fortzusetzen, und werde, wie auch das Ergebnis ausfallen mag, Dir sofort darüber Bericht
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erstatten.
Meine l. Frau, die leider viel krank ist, läßt Dich herzlich grüßen, und wir beide bitten Dich, uns Deiner liebenswürdigen Gattin bestens zu empfehlen. Mit bestem Gruß Dein Alfred Hilgard