Cassel d. 17 Febr 1836.
Liebe Mutter!
Sehr überraschend aber desto freudenvoller war uns der Empfang Deines lieben Briefs wodurch mir eine wahre Zentnerlast von der Brust ist und ich fühle mich erst jetzt wohl und zufrieden in beisitz meines guten Carls, den der Gedanke um Euer unbestimtes Schicksall hatt mir wirklich wenig frohe Stunden übrich gelassen, doch nun ist alles gutt und alle Sorgen sind verschwunde und ich sehe recht recht froh der Zukunft entgegen._
Du fragst meine liebe gute Mutter ob Du bald Großmutt werden würdest, ich will [illegible] gleich mit ja antworten den ich erwarte schon in der Kürze meine Niederkunft und ich denke Dich am Ende dieses Briefs auch von der Ankunft eines Söhnchens zu benachrichtigen.
Ich will Dir nun aber auch sagen wie wir [strikethrough:] hier und [/strikethrough] wie wir die Zeit hier gebraucht haben, wir leben recht eingezogen und ganz für uns alleine mit Seidlers haben wir nur Umgang welche wir auch zuweilen und ganz unscheniert besuchen, von den Übrigen Bekanten Schmitz u Bruder haben wir uns ziemlich zurück gezogen weill ein genauer Umgang mit denen uns zu viel kosten würde, und wir allen ursache haben uns so wenig wie möchlich Lasten zu machen den es will was heisen hier in Cassell für 250 rtl alles und jedes zu kaufen, zu dem hatten wir noch mancher lei in unserem Haushald an zu schaffen, doch ich denke das wir nun bald alles haben was zum Haushald nothwendich ist [strikethrough:] und [/strikethrough] wir leben übrigens recht glücklich und zufrieden und sind uns selbst genug, am Tage habe ich in meinen Haushältgen zu thun, den ich habe bis jetzt noch kein Mädchen, und die Sommer Abende haben wir meistens mit Spaziren gehen hin gebracht, wo wir in der Au oder auf Schönfeld oft unsere Aben Malzeit hielte was recht angenehm wahr und die Winter Abende hat mir mein lieber Mann vohrgelesen wo bei ich den recht
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[strikethrough:] Lebe [/strikethrough] Lebe recht recht wohl mein gute lieb Mutte der Himmel gebe Dir fernen sein Sege so wie Dein brafes Herz verdient Lebe noch mahls wohl und vergiß nicht Deine auch zertl. lieben Tochter Clothilde.
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fleißig an meinem Kinderzeug arbeitete ich bin nun auch schon ganz fertig da [strikethrough]m[/strikethrough] mit, ich wollte Du köntest nur in meine Komode sehen und Dich auch über meine Sachen freuhn. —
Meine SchwiegerMutter wohn wieder in Kauffungen Caroline ist einige Monatte hier und wird auch länger noch hier bleiben, auch wir Mutter bald hier her kommen um mir zur Zeitt beizu stehn.
Ueber Cristianen Verlobung haben wir und alle die es hörten recht gefreut, und ich wünsche Dir zu Deinen zweiten Schwiegersohn eben so viel Glück wie Du an Dein ersten hast, ja möchte Sie nur eben so glückl. mit Ihrem Carl leben wie ich mit dem meinigen, den Er kann zu einem Muster von Ehemann dienen.
Du fragst meine liebe gute Mutter ob ich noch nicht in Oldenburg gewesen währe, ach nein ich höhre und sehe nichts von unsern lieben Verwanten, ich gräme mich aber auch nicht deshalb den was ich so nach der Hand in betref Deiner erfahr habe ist nicht der Art das ich sie [underline:] achten [/underline] viel weniger lieben kann.
Beiker lassen grüßen und Cristiane recht recht viel Glück wünschen, auch von Seidlers eben so viel Glück wünschen. Rutchen Lohrmann ist Braut mit den Leutnant [underline:] Kellerman [/underline] welcher hier bei der Attillerie steht. Sophie Schmitt ist auch Braut mit den Stiephtschreiber Weißenborn von Kauffungen, letz. hat oft von Ihnen gehört es ist der welcher mit Johanna Hopf versprochen wahr und ein rechter Verschwender ist. Das mein lieber Bruder Hermann so wächst freuhet mich sehr gieb Ihm in meinem Nahmen eine rechten Tüchtigen Kuß — auch [illegible] bitte ich recht von mir zu Grüßen und zu küssen.
An Cristel will ich woh mochlich auch etwas schreiben, ich kann das Schreiben nicht lange mehr aushalten weßhalb ich für dieß mahl schließen muß. Lehbe daher wohl mein liebe gute Mutter und denk auch zu weillen
an Dein Tochter Clothilde
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Grüß und küße mir meine Crist u Hermann
Viel Tausend Gruß von allen
Bekannten
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den 20 Merz 1836
Dem Hiemmel sei Dank mein liebe Mutter es ist alles über stande woh führ ich so Angst hatte, ich bin Mutter von einem recht hüpschen Knaben, o wie dieser mein Glück nun noch erhöht, könnte Ihr nur einen Tach mahl bei mir sein um Zeuge meines Glücks zu seihen, ein guter brafer Mann und ein so liebes [insertion:] Kind [/insertion] das ist wirklich mehr als ich verdiene. Mein Hermann nimm recht zu an Größe wenn ihn der liebe Gott gesund laßt wird, Er es alles recht gutt machen, viele behauten und au[strikethrough:]h[/strikethrough]ch ich der meinung das er Dir lieb Mutter auffallent Enlich sied er hatt schon ein Kleidchen an und sied darin würkl niedlicher aus als in der Wintel.
Endschuldig meine gutte liebe Mutter daß wir noch immer den Brief nicht abgeschickt haben ich hoffte immer geld zu krigen um Dir dann die gewünschten Sachen zu kaufen. Das Geld ist nun glücklich angekommen aber [?] Datter Beurs [?] ist wie Onke Derenthal glaub schon abereist, Derenthal hatte das Geld nach [?] spriel [?] nun recht bald wieder, ob ichDir Sachen noch kaufen soll und durch wem Du alles [strikethrough] beyn [/strikethrough] geschickt haben willt.
([behauten = behaupten])
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Stuhr lassen er müßt mit mir zu geliebten Mutte Eilen durch sie sind wir gebunden.
Schreib recht bald und viel wiede
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Carl wird Dir geschriebe habe das nach dem willen des Grafen uns ein Theil von dem bewilligten Nachlaß zu gute kommen solte mein Carl wolte durchaus das Geld nicht [strikethrough:] an [/strikethrough] annemen aber ich wahr Schuld daran denn wir haben einige Schulden welche wir von kleinen Einname nicht bestreiten könten also bin ich fest über zeug das Du dieß unser ferfahren nicht mießbilligen kannst und wirst. Mein gutes liebes Muttergen schreib uns recht bald wieder und recht viel von auch und Cristiane welche ich recht herzlich zu grüßen bitte ich werde Dir das Nächste mahl auch ein weit längeren Brief schreibe als dießmahl enschuldig nur mein wenig und schlechtes schreiben. es ist mir als ob ich Dir so viell zu schreiben hätte und kann doch nicht recht waß zu gegen bring. Von unser Oldenburg, Warburg u Paderborn Verwante höhre und sehe ich garnichts. Deingen Saidler Ihre Hochtzeit wird in 14 Tag sein, mein lieben Cristianen Hochtzeit wird nun auch schon wohl gewesen sein im jung [illegible]? nun ist die Reihe an Hermann??? Wir haben Hermann zu Paten unseres lieben Kindes erwehlt bitte schreib mir doch ob er sich auch darube recht gefreut hatt? _
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Ich sehe daß mein Blad zu End geht und will nun diese lerr Flagge beutze. O gute Mutter wie oftt Thräum ich wachent und schlafen von Dir und mir ist dann gerade so alß ob Du uns in einige Jarren besuche würdest o bitte thue es auch wenn es nur einiger maßen an geht ich habe oft solch eine Sensucht nach Dir, hätte wir nur Geld ich würd [illegible] freue
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