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Lisbeth Rasp (Haas)
Lisbeth Rasp (Haas)
beitrug, Dich, ich möchte sagen, in eifersüchtiger Liebe als meinen
Onkel zu werten. Von der Kinderstube aus in Schmittweiler
war mir durch Rede und treues Erinnern meiner Eltern u. meines
Großvaters Dein Lebensbild immer als Ideal hingestellt worden
und wie frisch und wagemutig bin ich als kleiner Junge zu
meinem Onkel nach Amerika gegondelt. In treuem Erinnern
der Schwesternliebe sprach meine Mutter immer von Dir, verzehrte sich
der alte Großvater in Sehnsucht nach Dir. Aus dieser Atmosphäre der
Jugendzeit heraus war es gekommen, daß ich Dich in meinen
Gedanken als meinen Onkel ganz mit Beschlag für mich belegt
hatte und das erst recht, als ich allein in der Welt stand.
Deine Nachricht von Deiner Verheiratung war für mich eine Überraschung,
die mich seelisch aus dem Gleichgewicht brachte und
mich in meinen Briefen unmittelbar nach dem Ereignisse nicht
die richtige Form finden ließ, keinesfalls waren es die Gedanken
an eine gefährtete Erbschaft. Wenn Du, lieber Onkel, und auch Du,
liebe Tante, diese meine Ausführungen recht verstehen möchtet,
so dürftet Ihr es auch begreiflich finden, in wie tiefster Seele mich
der Vorwurf der Erbschaftsschleicherei verwundete. Ein weidwundes
Tier wird in seinem Schmerze rasend, unvernünftig, unüberlegt
und auch der Mensch kann in solchen Fällen zu Hand-
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lungen und Reden kommen, die er nicht mehr verantworten kann,
wenn er die Sache ruhig überlegt und nachträglich wieder Herr seiner
Gedanken wird. Ich bedauere heute aufs schmerzlichste meine Handlungsweise
gegen Tante und auch gegen Dich. Der verweigerte Morgengruß , brachte mich plötzlich in eine Afekthandlung, die mich Bemerkungen
machen ließ, die unüberlegt waren, die mir leid tun und mich
in meiner Arbeit hemmen. Wolltest Du, lieber Onkel, für mich bei Deiner
lieben Gattin ein gutes Wort für mich einlegen, damit sie mir mein
Tun, das mich quält und mir nicht Ruhe gibt, verzeihen möge.
Meine Mutter lehrte mich durch Wort und Tat: „Das höchste was
ein Mensch besitzt ist seine Ehre.“ Daran habe ich seit meiner Lebens
festgehalten und meine Ehre geht mir über alles.
Ich versichere nochmals, daß ich mich nicht im Entferntesten mit
Erbschaftsgedanken beschäftigt habe und auch in Callbach sind derartige
Bemerkungen nicht gefallen, was mir auf Vorhalten meiner
Stiefmutter bestätigt hat und mir es bezeugen will, wo, wann
und wie ich es verlange. Was sie allerdings hinter meinem Rücken
für Redereien gemacht haben soll, dafür kann ich nicht einstehen.
Oder könnt Ihr mich selbst in dieser Sache jemals irgendwie eines
ungerechten Verlangens zeihen? Habe ich jemals irgendetwas
von Dir lieber Onkel, von Dir liebe Tante verlangt, das nur auch
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im allerentferntesten Sinne etwas mit Erbschaft etwas zu tun
haben könnte? Habt Ihr mir nicht alles freiwillig geschenkt,
mir und den meinen? Und fürstliche Geschenke waren es. Und
wenn ich bedenke, mit welcher Liebe und Sorgfalt uns in
unserer Kriegsnotzeit, die liebe Tante die großen Kisten gepackt
hat, so möchte ich fast glauben, daß das ganze Vorgehen Tantes
gegen mich nicht aus bösen Ernste entsprungen war, sondern,
daß unter dem Scheine der Härte die ganze Angelegenheit eine
Prüfung für mich sein sollte. Es scheint Fatum für die
Kleeschen Stammes zu sein, daß sie durch schwere Prüfungen
und Lebensschicksale erst zu rechten Männern werden und ich
muß es gestehen die Erlebnisse mit Euch, Ihr Lieben, waren für
mich heilsamer Natur, brachten mich zur Selbstbesinnung, zur
Manneswürde. Vom schwankenden Rohr einst, habe ich mich
zur festen Persönlichkeit entwickelt, zum Manne, dessen Höchstes
seine Ehre ist. Diese Ehre findet aber ihre Krönung in der Liebe
und Selbstüberwindung und in diesem Sinne bitte ich Euch,
Ihr Lieben, alles was von unserer Seite an Unrecht geschehen
ist, geschehen sein zu lassen und wieder gut zu uns zu sein.
Nicht verschweigen aber möchte ich, daß ich Euch stark im
Verdachte habe, den Sturmwind mit Absicht heraufbeschworen
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zu haben im Sinne des Gesichtes von Ernst Weber:
Der Retter.
So ein Donnerflug, recht aus der Nähe,
Hei, das ist wie ein frisches Erlösen!
Flammender Himmel - gell und jähe
Folgt das prasselnde Donnerwetter –
Ja, nun zittern die Bösen,
Drücken sich nieder, bekreuzen sich bebend
Und jammern nach einem Menschheitsretter.
Aber die lebend
Hinaus in die stürzenden Wetter schauen,
Die empfinden kein bleiches Grauen.
Die fühlen: eben das Donnerwetter,
Das ist der Retter!‘‘
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Weihnachten, das Fest der Liebe naht. Möge das Grün
des Weihnachtsbaumes, des Baumes der Liebe uns ein
Zeichen der Hoffnung sein und des endgültigen
Friedens!
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Wie schön wäre es, wenn wir in Frieden vereint in
Knittelsheim unterdem strahlenden Kerzenbaume
das Fest der Liebe feiern könnten. Wir hoffen darauf
und meine liebe Lisbeth u klein Helenchen haben schon
kleine Überraschungen für Euch vorbereitet. Schreibt nicht
lange hin und her auf diesen Brief; denn das geschriebene Wort
ist kalt wie der Winter draußen – kommt zum Feste!
Es gibt auch sonst noch viel zu ordnen. Das Möbel ist
von Callbach da und die alten Kleeschen Kammern
sollen neu erstehen. Da brauche ich Eure helfende Hand.
Die Möbel bedürfen auch der Ausbesserung, wenn sie nicht
völlig verderben sollen. Wie soll ich dieselben herrichten
lassen und was habt Ihr vor damit? Meine
Verhältnisse können sich über kurz oder lang ändern u.
dann weiß ich mit den vielen Sachen nicht ein noch
aus – das alles bedarf der Besprechung. Auch möchte ich
Onkelns Bildern einen Ehrenplatz über Helenchens
Klavier geben, möchte aber dieselben nicht ohne