Otterberg 11. April 1921
Lieber Vetter Eugen & liebwerte Frau Emma!
Eure lieben Briefe vom 26 Febr. kamen glücklich in unseren Besitz und sage Euch beiden Lieben unseren herzinnigsten Dank, für die große Freuden & Aufmerk= samkeiten, die Ihr uns damit von Neuem erwiesen habt. Die Freude unserer Kinder so unversehens in den Besitz
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einer Dollarnote zu kommen war unbeschreiblich groß & werden Sie beide bei Eurem Verweilen hier bemüht sein, Ihrem Dank Euch gegenüber abzum Ausdruck zu bringen. Friedrich ist zur Zeit so sehr mit Schularbeiten überhäuft, daß kein anderer Gedanke mehr Platz findet. Das Schuljahr, das sonst erst im Juli zu Ende ging, schließt nun schon im April & muß doch das ganze Pensum durchgearbeitet sein. Bitte also sein Schweigen zu entschuldigen.
Unsere & unserer lieben Mutter, Freude, über die bestimmte
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Zusage Eures lieben Besuches im Sommer, brauchte ich Euch wohl nicht erst zu versichern, denn ich nehme an, daß die Gedankenkette, die uns ständig mit Euch verbindet & uns täglich von Euch sprechen läßt, so stark ist, daß Ihr Ees in Amerika fühlt und uns gleich einem Elekt. Strom jetzt schon geistig, vor der persönlichen Berührung verbindet. Wir sind zur Zeit eifrig bemüht unser altes Haus durch Maurer, Anstreicher & Treppenbauer so würdig als möglich herzurichten, damit es Euch bei uns gefallen möge. Wohl sind Eure Begriffe über Eleganz & Wohnungskomfort
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himmelweit von den unseren entfernt & verschieden. Aber des Haushalt auf dem Lande, läßt neben seinen harten Pflichten, eben nichts anderes aufkommen. Aber die Menschen, die im Leben durch die schwerste Schule der unermüdlichen Arbeit gehen, sind nicht besser & reiner, als die der Großstadt, die nur Genüsse aller Art, für das Ideal des Lebens halten. Kommt & seid versichert, daß Ihr von der herzlichsten Liebe bei uns willkommen geheißen seid. Genießt die alte Heimat, so wie sie ist, badet Euch gesund
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in der reinen Waldesluft & laßt Euch einspinnen in den alten Zauber der Eltern & Jugenderinnerungen. Ach wenn nur Deine lb. Schwester Malchen noch am Leben wäre. Zärtlicher ist noch kein Bruder geliebt worden, wie Du von Ihr, wie würde Sie sich mit uns freuen, ach dies liebreiche Herz, ist gar zu früh von uns Allen gegangen.
Es ist ein glücklicher Zufall, daß Du hier dann auch Faml. Kirchner findest, dann könnt Ihr doch gemeinsame schöne Erinnerungen mitnehmen. Ich hoffe daß zur Ferien-
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zeit noch mehr liebe Freunde hier sein werden. Gebrüder Blatter sind oft hier & sicher auch wieder diesen Somer. Karl Bl in Ludwigshafen hat in der Musikwelt einen guten Namen & schon großes geleistet. An Pfingsten kommt Er mit seiner Sängerschar hieher & veranstaltet ein Kirchenconzert zu Gunsten des Glockenfonds & werde Dir darüber berichten. Aus Heimatgefühl hat sich Herr C. Bl kürzlich sogar ein Haus hier gekauft. In der Lauergaße (Polizeidiener Verla) vorläufig ist es noch vermietet aber später wird es Herr B. wohl selbst
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bewohnen. Zur Zeit schon Jahre lang hat er seinen Feriensitz nach dem Gersweilerhof b. Erlenbach verlegt. Ein alter Freunde Eures Hauses Christian Lackmann frägt so oft voll Interesse nach Dir & wir gaben Ihm Deine Adresse. Nun schrieb Er uns v seinem neuen Wohnsitz St Ingbert. (Aus Elsaß wurde Er ausgewiesen.) Du hättest Ihm keine Antwort gegeben, was Ihm sehr leid war. Vielleicht findest Du einmal Zeit, Ihm doch noch zu schreiben.
Über die Zusendung der verschiedenen Zeitungsausschnitte, freuten wir
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uns ebenfalls, Du ließest uns dadurch teilnehmen an Deinen herrlichen Erfolgen & alle Lieder sind uns wohlbekannt; ich bewunderte die feine, gefühlvolle Karakerisierung der einzelnen Chöre, die von einem geistvollen Musikfreunde Zeugnis ablegen. Heinrich hatte diesen Winter sehr an einem Magenleiden zu leiden. Der Arzt in K/ltern, der ihn Röntgte sagte mir auf mein Befragen ernste Dinge. Nun geht es Ihm, bei einhalten der größten Diät. (Seine Mahlzeiten bestehen meistens aus Haferschleim) wieder besser. Wir werden aber doch wenn die Hauptfrühjahrsarbeit getan ist
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nach Heidelberg zu einem Professor müssen. Wenn man gesund ist, braucht es schon die ganze Willensstärke, um bei den derzeitigen Verhältnissen von Wohlergehen zu sprechen. Aber krank sein dabei, das ist sehr hart.
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Gott erhalte Euch gesund, ich begrüße den Tag mit Freuden, der uns Eure Ankunft meldet. herzl. Grüße v uns allen, im Namen aller Eure Base Mathilde